Banken und Nachhaltigkeit :
So doof ist die Taxonomie doch nicht

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Kapital für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft: Steuerung für einen Tank für Wasserstoff
Banken haben sich daran gewöhnt, auf die Nachhaltigkeit ihrer Kunden zu achten. Aber ob sie genug Geld bereitstellen können, hängt auch von der Bereitschaft der Haushalte ab. Und an ihr gibt es Zweifel.

Für die meisten neuen Gesetze ist typisch, dass Lobbygruppen zunächst über den Effekt klagen, den sie auf ihre Arbeit haben werden. Sind die neuen Regeln dann eingeführt, können Unternehmen häufig doch ganz gut damit leben. So ist es auch mit der EU-Taxonomie, dem Regelwerk, das ökologisch nachhaltige Investitionen erleichtern soll und tatsächlich das Potential hat, Geschäftsmodelle zu transformieren.

„Wir haben festgestellt, das ist kein sozialistischer Albtraum. Die Taxonomie müsste die Marktentwicklung beschleunigen“, sagte Daniel Sonnenburg, Sustainable Finance Policy Lead der Deutschen Börse, am Dienstag auf der „Euro Finance Week“. Einen ganzen Tag lang wurde über nachhaltige Finanzen und Finanzprodukte diskutiert, die die Kriterien ESG (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) erfüllen.

Der Anstoß aus Brüssel hat nach Auffassung der Teilnehmer schon jetzt einen Effekt. „Wir sehen definitiv ein spürbares Wachstum in ESG-Investitionen“, sagte Viktoriya Brand, Head of Group Sustainability der Deutschen Bank. Die Diskussion, ob die Taxonomie durch ihre vielen Detailregeln nur bedingt anwendbar sei oder ob sie zum globalen Vorbild werden könne, sei längst entschieden. Die hohen Anforderungen an Daten führe zu einer doppelten Herausforderung: Banken seien abhängig von ihren Kunden, um die erforderlichen Daten zu erhalten. Gleichzeitig sei es für diese herausfordernd, sie zusammenzustellen.

Andere Länder orientieren sich am Regelwerk

Längst hätten andere Staaten ihren Blick darauf gelenkt, was sie aus der europäischen Taxonomie für sich selbst lernen könnten. „Viele Gesetzgeber nehmen sie als eine Blaupause“, sagte Brand. Brasilien orientiere sich daran, insgesamt 30 Länder schüfen eigene Taxonomien, um sicherzustellen, dass privates Geld besser in die ökologische Transformation gelenkt werden kann.

Denn darüber, dass Banken, Versicherer und Fondsgesellschaften mehr Geld für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft bereitstellen, musste auf dem international besetzten Forum überhaupt nicht mehr diskutiert werden. „Die Fossilen sind weder billig noch zuverlässig“, sagte Werner Hoyer, der Präsident der Europäischen Investment Bank in Luxemburg. „Dafür war der russische Angriff auf die Ukraine mindestens ein Weckruf.“

Die Taxonomie soll Geldgeber dazu bringen, dass sie die Transformation der Realwirtschaft mit Geld und Expertise begleiten. Dass aber setzt einen kulturellen Wandel voraus. Die meisten Banken haben sich Ziele gesetzt, wie Wirtschaftssektoren ihre CO2-Emissionen senken können, die sie über Kredite und andere Finanzierungen mit Geld versorgen. Fondsgesellschaften müssen auf Basis der Daten entscheiden, wie sie Kundengeld ökologisch anlegen können.

Mit Ausschlüssen finanziert sich kein Wandel

„Die Produkte der DWS beruhen im Wesentlichen auf Ausschlusskriterien. Damit begeben wir uns auf sehr subjektiven Boden“, sagte Dennis Hänel, Head of ESG Advisory der zur Deutschen Bank gehörenden Fondsgesellschaft DWS. „Nun spricht aber jeder über eine Transition: Das wäre die Bereitschaft von Unternehmen, die willig zur Veränderung sind. Wenn sie aber ausgeschlossen sind, kann ich nicht investieren“, sagte er.

Auch hier ist also ein Kulturwandel nötig. Soll Geld vom Privatanleger in die ressourcenärmere Produktion von Unternehmen fließen, sollten Fonds einen Einfluss (Impact) auf Unternehmen ausüben, statt bestimmte Geschäftsmodelle (vor dem Ukrainekrieg wurde als Beispiel häufig die Rüstungsindustrie genannt) vollständig auszuschließen.

Und noch eine Herausforderung gibt es für den Umbau zur Nachhaltigkeit. Mit einem Anteil von nur einem Fünftel ihrer Geldanlagen in Aktien seien die Deutschen viel zu weit weg von Investitionen, wie sie für eine solche Transformation gebraucht werden, sagte die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier, die an der University of Berkeley forscht und lehrt. „Wir brauchen mehr Bereitschaft von Haushalten, in Aktien zu investieren“, sagte sie. Hierzulande wüssten die wenigsten, wie sich Investitionen anfühlten.

Das ließe sich verhindern, wenn jedes Kind im Monat 10 Euro zur Verfügung hätte, um in Aktien anzulegen. Lehrer könnten mit Schülern über ihre Investitionen diskutieren. Zu besonderen Momenten im Leben könnten sie sich den Erfolg zeigen lassen. Mehr Leute müssten am Kapitalmarkt teilhaben. „Das ist der einzige Weg dahin, dass disruptive Unternehmen wachsen und zu einem neuen Wachstumspfad für Deutschland führen“, sagte sie.

Deutsche Börse macht keine Vorgaben für Geschäftsmodelle

Nur eine passive Rolle will dabei die Deutsche Börse einnehmen. „Wir sind verhaftet zwischen den Rollen als neutrale Institution und Beschleuniger“, sagte Sonnenburg. Eigene ESG-Regeln werde sie nicht einführen. Sie setzt Unternehmen Transparenzregeln, aber keine Vorgaben für Geschäftsmodelle. Idealerweise setzte der Gesetzgeber einen adäquaten Preis für Umweltschädigungen und lasse die Marktdynamik wirken.

Auch ohne Vorgaben der Börse werde der Finanzmarkt Investoren und Unternehmen dazu bringen, den Wandel anzugehen. „Grün zu sein wird eine Lizenz für wirtschaftliche Aktivität werden“, sagte er. Zu wenig werde branchenübergreifend an gemeinsamen Lösungen gearbeitet, bemängelte Hannah Helmke, Gründerin des Climate-Tech-Start-ups Right. Based on Science. „Wir brauchen Gestalter, denn es ist so viel Unsicherheit da. Man braucht Menschen, die vorangehen. Aus der Stimmung, die hier herrscht, lässt sich ein Weg nach vorn machen.“

In den Banken wird zumindest in den eigens eingerichteten Nachhaltigkeitsfunktionen der Kulturwandel vorgelebt. „Ich habe noch nie so viele Bücher in meinem Leben gelesen, Webinare besucht. Wissenschaft und Weiterbildung sind so wichtig“, sagte Anja Link, Head of Sustainability der HSBC im deutschsprachigen Raum. Banker müssten Kunden nicht über neue Technik belehren, sondern auf dasselbe Verständnisniveau kommen.